Den inneren Diamanten zum Glänzen bringen
10.05.2022
Die Friedensaktivistin Sumaya Farhat-Naser hat im Kirchensaal einen beeindruckenden Vortrag über das Leben der Palästinenser gehalten. „Was Ihr aus den Medien und aus den Schulbüchern lernt, entspricht zu 99 Prozent der Sichtweise Israels“, sagte sie vor Schüler*innen des Sozialwissenschaftlichen Gymnasiums und Gästen.
In Gesprächen mit ihren jüdischen Freunden habe sie gelernt, dass sie bei ihren Vorträgen sensibel sein muss und betonte daher gleich zu Anfang, dass ihre Kritik nicht den Juden gelte, sondern der Militärbesatzung, die das Leben der Palästinenser seit Jahrzehnten bestimme.
„Ihr sitzt ruhig hier und hört zu“, stellte sie fest. In palästinensischen Schulen sei das kaum denkbar, weil immer alle wachsam seien und ständig Angst vor Angriffen hätten.
Sie erzählte von 600 Checkpoints auf einem Gebiet, das man mit dem Auto in einer Stunde von Ost nach West und in drei Stunden von Nord nach Süd durchqueren könnte. „Viele der Tore sind nur für jeweils 15 Minuten offen“, sagte sie und berichtete von Menschen, die nach der Arbeit gar nicht nach Hause fahren, sondern hinter der Grenze schlafen, um am nächsten Morgen in der langen Schlange vorne zu stehen.
Einmal habe sie miterlebt, wie sich an einem Checkpoint ein von langem Warten zermürbter Palästinenser sein Hemd aufriss, die Arme ausbreitete und einem Soldaten „Dann schieß doch!“ zurief. Der Soldat habe sein Gewehr schon auf die nackte Brust des Palästinensers gerichtet, als sie sich zwischen die beiden Männer gestellt hatte und dem Soldaten sagte: „Ich kenne deine Mutter“. Sie kannte sie nicht persönlich, „aber ich bin auch eine Mutter weiß, wie Mütter sind. Durch unsere Menschlichkeit können wir die Menschlichkeit der anderen erwecken.“ Mit ihrer Aktion habe sie den Soldaten so verwirrt, dass er seine Waffe zum Boden senkte und sich wegdrehte.
Sumaya Farhat-Naser, die in Bethlehem eine deutsche Internatsschule besucht und in Hamburg Natur- und Erziehungeswissenschaften studiert hatte, benannte drei Prinzipien, die sie in ihrer langjährigen Arbeit zu den Themen Menschenrechte, Frauenrechte, Alphabetisierung und vor allem Friedenserziehung herausgefunden hatte: Alle Menschen sind gleich, jeder Mensch ist verschieden und jeder wird mit einem guten Kern geboren. Diesen Kern nennt sie einen Diamanten und appelliert an ihre Zuhörer, diesen zum Glänzen zu bringen.