Gastspiel bringt Abiturienten Büchner nahe
06.12.2017
„Die Welt ist das Chaos“ stellt Georg Büchners Protagonist in „Dantons Tod“ fest und fragt sich: „Was ist das, was in uns lügt, hurt, stiehlt und mordet? Puppen sind wir, von unbekannten Gewalten am Draht gezogen; nichts, nichts wir selbst!“ Büchner ist heute noch genauso aktuell wie vor 200 Jahren, aber nicht immer leichte Kost. Sein Drama „Dantons Tod“ ist in der Oberstufe der baden-württembergischen Gymnasien Sternchenthema, weshalb die Zinzendorfschulen ein paar Monate vor dem Abitur wieder das „Theater mobile Spiele“ aus Karlsruhe eingeladen haben. Deren Ein-Personenstück „büchner. die welt. ein riss.“ bringt den Schülern den hessischen Dichter, Revolutionär und Menschenrechtler näher - und das sogar im Wortsinn.Zu zwei Seiten saß das junge Publikum nur wenige Zentimeter von der Bühne entfernt, die lediglich von einem fünf mal fünf Meter großem Teppich markiert wurde, und konnten so jedes noch so leise Zucken um den Mund, jedes Heben der Augenbrauen des großartigen Darstellers Norman Nowotko verfolgen, der mit Leichtigkeit nur durch Wechsel von Mimik, Stimmlage oder Requisiten zum Teil im Sekundentakt von einer Rolle in die nächste schlüpfte. Die Figuren waren stets so präzise ausarbeitet, dass das Publikum zu jeder Zeit genau wusste, wen er gerade darstellte. So wurde beispielsweise auch das Hemd zum Indikator. „Wenn es ordentlich in der Hose steckt, spricht der Schauspieler Texte aus Büchners Briefen“, erklärte der Regisseur Thorsten Kreilos. Hing das Hemd jedoch aus der Hose, so waren es Textstellen aus dem Hessischen Landboten. Dabei wurden die Zuschauer dann auch direkt angesprochen.
Das spärliche Bühnenbild aus Holz, Jute und Plastik baute Nowotko im Laufe der 60-minütigen Vorstellung nach und nach nebenbei ab und hinterließ damit das Nichts, das sich Büchner als Ruhepol immer wieder herbeigesehnt hatte. Die Plastikplanen, die zuvor mal als Paravent dienten, mal als Symbol für Blut oder die Roben der Reichen, wurde später zu den zeitgenössischen Müllbergen, auf denen die Knochen des Hungers liegen“, wie es im Programmheft heißt.
Die Collage macht die Zerrissenheit Büchners, seiner Gesellschaft, seiner Werke und seiner Topographie nachvollziehbar. „Man nennt mich einen Spötter. Es ist wahr, ich lache oft, aber ich lache nicht darüber, wie jemand ein Mensch, sondern nur darüber, dass ein Mensch ist, wofür er ohnehin nichts kann, und lache dabei über mich selbst, der ich sein Schicksal teile“, hatte Büchner etwa in einem Brief an die Familie geschrieben.
Für die Schülerinnen und Schüler war es ein tolles Erlebnis, sich Büchner einmal aus einer anderen Perspektive zu nähern.