Handys voller problematischer Rohstoffe

09.03.2016

Handys voller problematischer Rohstoffe

Sie sind klein, flach, praktisch und die meisten Menschen benutzen sie, ohne sich wirklich Gedanken über ihre Entstehung zu machen: Handys und Smartphones sind aus dem Alltag nicht mehr wegzudenken. Doch was steckt drin und vor allem: wie und unter welchen Bedingungen kommt es hinein? Zwei Referenten des Entwicklungspädagogischen Informationszentrums (EPIZ) in Reutlingen haben in Königsfeld drei gleichsam spannende wie aufwühlende Vorträge gehalten.

Am Morgen klärten sie Schülerinnen und Schüler der siebten und achten Klassen von Realschule und Werkrealschule der Zinzendorfschulen über die globalen Zusammenhänge auf, die hinter den nützlichen Geräten verbergen. Der gebürtige Kongolese Tshamala Schweizer erklärte sehr authentisch, was die Werkzeuge moderner Kommunikation mit den kriegerischen Auseinandersetzungen um die dafür nötigen Rohstoffe in seinem Heimatland zu tun haben.
Eine spontane Umfrage zu Beginn des Workshops bestätigte die Statistiken: So gut wie jeder der 50 Schüler besitzt ein Smartphone oder Handy, ein guter Teil von ihnen hat in den vergangenen drei Jahren mindestens zwei Mal ein neues Gerät bekommen. Auch Schweizer selbst wollte sich nicht davon ausnehmen, habe er doch ebenfalls das dritte Handy in zehn Jahren.  „Wir sind die Verursacher des Krieges im Kongo“, sagte Schweizer. „Unser Konsumverhalten ist die Ursache dafür, dass jeden Tag im Ostkongo mehr als 100 Personen sterben. Nur zehn Prozent aller Kinder dort gehen zur Schulen, die anderen arbeiten, um ihre Familie zu ernähren.“ Besuche in seiner Heimat hätten ihm gezeigt, dass die Situation noch viel schlimmer sei als es die europäischen Medien vermitteln.
In einem Rollenspiel ließen die Referenten die Jugendlichen in die Haut verschiedener Menschen auf dem ganzen Globus schlüpfen, die an den mobilen Telefonen beteiligt sind. Ein halbes Dutzend Schüler verkörperten das kongolesische Kind, das in den Coltanminen arbeitet, die ecuadorianischen Arbeiter in den Goldminen,  südafrikanische Familien, die ohne Entschädigung umgesiedelt werden, weil auf ihrem Land Platin abgebaut wird, und die ausgebeutete  Arbeiterin in China, die für wenig Geld unter schlechten Arbeitsbedingungen die Telefone zusammenbaut.
Die betroffenen Schülerinnen und Schüler sprudelten nur so vor Ideen, was man besser machen könnte: Sie schlugen etwa das Fairphone vor, oder die Rohstoffe zu recyclen. Sie waren gut vorbereitet und haben unter anderem im Technikunterricht alte Handys auseinandergenommen.
Die meisten der 2000 Kleinminen im Ostkongo seien von Rebellen kontrolliert, erklärte Tshamala Schweizer. „Diese töten und vergewaltigen Menschen“, sagte er. Es gebe zwar auch unabhängige Minen, aber auch in denen sind die Arbeiten gefährlich. Die Bergleute gehen immer tiefer unter Tage, bis sie kaum noch Luft bekommen. Ein Film, den die Deutsche Welle produziert hat, unterstrich das Gesagte. Gerade einmal 100 Minen seien als konfliktfrei zertifiziert, so Schweizer. „Und ich persönlich glaube nicht an die Zertifizierung.“ Der Herkunftsnachweise für Gold seien oft gefälscht, viele Drahtzieher sitzen im Ausland, etwa im benachbarten Ruanda, und auch das belegte der Film.
Noch deutlicher wurden die Referenten bei ihren Vorträgen am Nachmittag und am Abend:  „Für dieses kleine elektronische Gerät sterben täglich Tausende von Menschen“, erklärte Schweizer mit Blick nicht nur auf sein Heimatland. Die belgische Kolonialzeit sei brutal gewesen, so Schweizer,  aber es starben nie so viele Menschen wie jetzt. Internationale Unternehmen - darunter auch deutsche Firmen  - ermöglichen erst den Krieg im Kongo. Sie liefern den unterschiedlichen Rebellengruppen Waffen und bekommen dafür die begehrten Rohstoffe, ohne die kein Handy und kein Smartphone funktioniert.
 Die moderne Kommunikation wollten die beiden Referenten niemandem versagen, nutzen sie sie doch auch selbst. Doch sie wollen das Bewusstsein schärfen, dass man ein Handy auch mal reparieren lassen kann, wenn es kaputt ist und – sollte es doch einmal nicht mehr zu reparieren sein – es ein Lieferant für die wertvollen Rohstoffe ist. In den Müllhalden von Indien und Ghana werden die Geräte nicht sachgemäß verschrottet. Der einfachste Weg, ein neues Handy zu vermeiden ist, sein altes zu behalten: „Es ist wichtig, dass die Handys möglichst lange benutzt werden“, sagte Eva Mund und ihr Kollege war froh über die Gelegenheit zur Aufklärung: „ Nicht nur Afrika braucht Bildung, wie alle müssen uns bilden, um die weltweiten Zusammenhänge zu verstehen“

 http://www.handy-aktion.de

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