Jahrestagung des Evangelischen Schulbundes Südwestdeutschland an den Zinzendorfschulen
30.10.2015
„Wir können den Wind nicht ändern, aber die Segel anders setzen“, wusste schon der griechische Philosoph Aristoteles. Um sich auf die im Wandel befindlichen Strukturen unserer Gesellschaft und Bildungslandschaft besser vorzubereiten, versammelten sich an den Zinzendorfschulen in Königsfeld die Mitglieder des Evangelischen Schulbundes Südwestdeutschland zu ihrer Jahrestagung unter dem Motto „Lehren und Lernen heute“. Als Hauptreferentin war die Heidelberger Professorin Anne Sliwka eingeladen, die den Teilnehmern mit einem spannenden Vortrag über das Lernen im Kontext von Diversität neue Impulse gab.„Die klassischen Einwandererländer Australien, Kanada und Neuseeland sehen die Unterschiede ihrer Schüler als einen Gewinn und eine große Lernchance“, berichtet sie. Auch in Deutschland sei der Wandel von der Homogenität zur Diversität das Thema der Zeit.
Jede gute Schule habe drei Ziele, so die Erziehungswissenschaftlerin: Leistung auf hohem Niveau, Chancengerechtigkeit und Wohlbefinden. Wie diese Ziele erreicht werden können, regte sie anhand internationaler Beispiele an.
Das Lernen im 21. Jahrhundert sei geprägt von Selbstregulation, Information und Innovation, so die Expertin. Der Trend der Zukunft sei das Lernen im Team. Im Bereich der Information existiere das Wissensmonopol der Lehrer nicht mehr in gleicher Weise wie noch vor wenigen Jahrzehnten. „Heute hat jeder Zugang zum Wissen, jedoch bedarf es der Expertise des Lehrers, dieses zu kanalisieren.“
Den Lernstoff selbst zu erarbeiten gibt es viele Modelle, von denen etliche von der 45-minütigen Schulstunde abweichen. Sliwka berichtete von Lerneinheiten in Hamburg, die 85 Minuten dauern und Lernbändern in einem kanadischen Schulbezirk, in dem montags bis donnerstags Geistes- und Naturwissenschaften in festen Gruppen unterrichtet werden, die Schüler aber in den Bereichen Kunst, Sport und Musik die Wahl haben, ob sie etwa lieber töpfern oder einen Film drehen, ob sie lieber schwimmen oder turnen. Die Freitage stehen für längerfristige Projekte zur Verfügung. Diese Wahlmöglichkeiten tragen ebenso wie die eigenverantwortliche Aufteilung des Lernpensums zum Wohlbefinden der Schüler bei.
Was die Leistung der Schüler betrifft, so sei es „der Idealfall, die Schüler in der sogenannten Zone der nächsten Entwicklung zu halten“, sagte Anne Sliwka und erklärte auch gleich, was mit diesem vom russischen Entwicklungspsychologen Lew Wygotski geprägten Begriff gemeint ist, nämlich der Bereich zwischen Über- und Unterforderung, in dem es möglich ist, unter Anleitung neue Aufgaben zu erledigen.
Ein weiterer wichtiger Aspekt einer guten Schule ist Sliwka zufolge die Abkehr der Bewertung der Schüler im Vergleich zu den Mitschülern hin zum Vergleich mit den eigenen Vorleistungen oder den Bildungsstandards.
In den Workshops, die am Freitag neben der Mitgliederversammlung den Schwerpunkt der Tagung bildeten, hatten die Lehrer unter anderem Gelegenheit, einzelne Aspekte zu vertiefen. Einen der Workshops leitete Michael Sauer vom Sozial- und Gesundheitswissenschaftlichen Gymnasium – Profil Soziales der Zinzendorfschulen, der seinen Kollegen das in Königsfeld seit Jahren erfolgreich praktizierte Modell des Lernens nach dem Dalton-Plan vorstellte.
Auch viele weitere Anregungen aus dem Vortrag der Professorin werden in Königsfeld schon länger umgesetzt – und offensichtlich nicht nur hier. „Meine Studenten haben mich einmal gefragt, weshalb ich so viele Beispiele von evangelischen Schulen nenne“, berichtete Anne Sliwka. „Das liegt ganz einfach daran, dass viele evangelische Schulen unter den innovativsten sind.“