„Krieg ist Mist“ – Zeitzeugen berichten vom Leben zwischen zwei Welten

04.05.2018

„Krieg ist Mist“ – Zeitzeugen berichten vom Leben zwischen zwei Welten

„Krieg ist Mist“ bringt es Niels Gormsen auf den Punkt und er weiß, wovon er redet. Gemeinsam mit fünf ehemaligen Mitschülern und dem ehemaligen Leiter der Zinzendorfschulen, Hans-Jürgen Kunick, allesamt um die 90, berichtete er vor dem Geschichtskurs der Klasse ZG1 des Zinzendorfgymnasiums von ihrer Jugend zur Zeit des Zweiten Weltkriegs. Es waren schlimme Erlebnisse, an die sie sich bis heute erinnern als sei es gestern gewesen. Durch ihre Gespräche mit jungen Menschen tragen alle ihren Teil dazu bei, dass sich so etwas nie wiederholt, einer von ihnen besucht gar bis heute die Ostermärsche der Friedensbewegung.

Gormsen und seine Mitschüler waren im gleichen Alter wie die Gymnasiasten, zu denen sie sprachen. Zum Teil hatten sie sich freiwillig zur Armee gemeldet hatten. „Dadurch konnten wir uns aussuchen, zu welcher Waffengattung wir gingen“, sagte Gormsen, der anderenfalls allein wegen seiner Größe und seiner blonden Haare ziemlich sicher zwangsweise zur Waffen-SS eingezogen worden wäre.

Viele ihrer Mitschüler haben die Jahre des Nationalsozialistischen Regimes nicht überlebt, erzählten die Besucher und auch, dass sie ihrer eigentlichen Tätigkeit, nämlich Schüler zu sein, kaum noch hatten nachgehen können. „Wir mussten nachts Staumauern und Kraftwerke schützen und sollten tagsüber zur Schule gehen“, erzählten sie. „Oft sind wir im Unterricht vor Müdigkeit einfach eingeschlafen. Es war ein Leben zwischen den Welten.“ Ihr Abitur hatten sie trotzdem geschafft, teilweise ein paar Jahre später, weil sie als Kriegsgefangene in Russland und Frankreich festgehalten wurden.

Bis kurz vor Ende des Krieges seien die Zinzendorfschulen eine „Insel der Seligen“ gewesen. Wenn auch nach außen verschleiert, konnte hier der christliche Betrieb lange aufrechterhalten werden. Es gab Morgen- und Abendsegen und täglich wurden die Losungen vorgelesen. Erst ein halbes Jahr vor Kriegsende wurde der Schulleiter abgesetzt und die Zinzendorfschulen als christliche Schulen wurden geschlossen. Ein SS-Obersturmbannführer einer Schule im Elsass hatte die Schule in Königsfeld übernommen. Zu der Zeit waren die Zeitzeugen jedoch schon im Krieg.

Zuvor waren sie Teil der Hitlerjugend gewesen. „Ich kann mich an keinen aus meinem Jahrgang in Königsfeld erinnern, der nicht dabei war“, sagte Niels Gormsen. Es war eine ungute Mischung aus Abenteuer und Gehirnwäsche, bei der auch das gemeinsame Singen eine große Rolle gespielt hatte. „Die Lieder handelten von Sterben und Heldentod und hatten den Geist schon mitbestimmt“, erinnerte sich Hansjürgen Garbe und der Historiker Hans-Jürgen Kunick bestätigte: „Die Verherrlichung des Todes war Teil des Konzeptes, die Musik wurde zur Propaganda genutzt.“

Günter Siegfried stellt sich bis heute die Frage, warum die Deutschen es damals nicht selbst geschafft hatten, sich aus diesem System zu befreien. Eine mögliche Antwort wusste der ehemalige Schulleiter Kunick: „Die Deutschen hatten damals ihre Schwierigkeit mit der Demokratie und waren noch aus der Kaiserzeit ein Obrigkeitsdenken gewohnt. Das demokratische System wurde damals schlechtgeredet, die Parlamente in anderen europäischen Ländern als `Quasselbuden´ verschrieen.“

„Gott sei Dank hat Deutschland den Krieg verloren“, sagte Gormsen, der damals gehofft hatte, dass nie wieder ein deutscher Soldat eine Waffe in die Hand nimmt. An die Schüler gewandt mahnte er: „Eure Generation hat es in der Hand, wie sich die Zukunft entwickelt.“