Landtags-Abgeordnete Martina Braun betont Bedeutung der Privatschulen
28.09.2021
Ein reger Gedankenaustausch mit Martina Braun (Die Grünen) zu verschiedenen Aspekten der Schulpolitik und den Forderungen der Arbeitsgemeinschaft Freier Schulen Baden-Württemberg (AGFS) hat sich an den Zinzendorfschulen entwickelt. Das Leitungsteam des Schulwerks hatte die Landtagsabgeordnete ins neue Lernatelier eingeladen, wo sie sich mehr als zwei Stunden Zeit genommen hatte, um einen tieferen Einblick in die Sorgen und Nöte der freien Schulen im Allgemeinen und der Zinzendorfschulen im Speziellen zu erlangen. Obwohl Bildungspolitik nicht der Schwerpunkt ihrer Arbeit ist, zeigte sich Martina Braun gut informiert, so dass sich ein für alle Seiten tiefgreifendes Gespräch entwickelte.
Verwaltungsleiter Br. Banholzer stellte ihr das Schulwerk anhand von Zahlen, Daten und Fakten vor und sprach einige Missstände an, wie etwa die knappe Fristsetzung für Zuschüsse vom Land, die teils sogar mitten in den Sommerferien lag. Eine Beteilung der Freien Schulen an grundsätzlich allen Sanierungsprogrammen für Schulen sei wünschenswert, hob er eine der Forderungen der AGFS hervor.
Aber nicht nur was die Liegenschaften angeht gibt es ein Ungleichgewicht zwischen privaten und kommunalen Schulen. Der Leiter von Realschule und Berufsfachschule Br. Hertnagel bedauerte, dass Realschulen deutlich niedrigere Zuschüsse erhalten als Gemeinschaftsschulen, obwohl sie ebenfalls die beiden Niveaus M und G anbieten sollten. Außerdem werden die für die Differenzierung des Unterrichts notwendigen Poolstunden den freien Schulen vom Land nicht finanziert. Auch für die Nachmittagsbetreuung und für die Schulsozialarbeit erhalten Schulen in privater Trägerschaft keine Zuschüsse und müssen damit die Finanzierung komplett selbst stemmen.
Die verstärkte Nachfrage nach dem neunjährigen Gymnasium, die sich an den Zinzendorfschulen schon seit Jahren zeigt, spiegele genau ihre Erfahrung wider, so Braun. Dennoch gebe es derzeit kein Zurück mehr zum G9 als Standard. „Selbst wenn wir die nötigen Planstellen schaffen würden, hätten wir keine Lehrer dafür“, sagte sie.
Damit war das Gespräch mit dem Lehrkräftemangel und dem Qualifikationsrahmen für einen Seiteneinstieg – vor allem an den Fachschulen für Sozialpädagogik und Sozialwesen - auch schon bei einem weiteren Schwerpunktthema der AGFS. „Wir müssen Kolleginnen und Kollegen aus dem Ruhestand holen, weil oft engagierten, jungen Kolleg*innen, die als Quereinsteiger zum Teil schon seit vielen Jahren in anderen Bundesländern unterrichten, in Baden-Württemberg die Möglichkeit zur Nachqualifizierung verwehrt wird“, so die Leiterin der Fachschulen für Sozialwesen und Sozialpädagogik, Sr. Schoo-Schemmann. Ähnliches berichtete auch Internatsleiter Br. Jünemann. „Gerade bei der Einstellung ausländischer Fachkräfte steht uns die Bürokratie oft im Weg.“
Ein weiteres Thema, das bei Martina Braun auf großes Interesse stieß, war die Busanbindung. Von den mehr als 1000 Schülerinnen und Schülern der Zinzendorfschulen kämen etwa 600 täglich mit dem Bus nach Königsfeld, schilderte Br. Schüller, der für den Stundenplan zuständig ist, den er im vergangenen Schuljahr wegen der Corona-Pandemie 22 Mal ändern musste. „Morgens zur ersten Stunde funktioniert es ganz gut“, meint er, „und auch um 13 Uhr und 15.30 Uhr kommen die Kinder und Jugendlichen wieder gut nach Hause. In allen Zeiten dazwischen ist die Busanbindung ganz schlecht.“ Der empfohlene zeitversetzte Unterrichtsbeginn sei daher nicht zu realisieren. Stattdessen werden an den Zinzendorfschulen die Pausenzeiten für verschiedene Klassenstufen gestaffelt, damit sich auf den verschiedenen Pausenhöfen die Schülerinnen und Schüler möglichst wenig begegnen.
Sei es die Durchlässigkeit, die Digitalisierung oder die Flexibiliät – das Konzept der Zinzendorfschulen überzeugte die Grünen-Politikerin sehr und sie versprach, immer ein offenes Ohr für deren Belange zu haben. „Es ist wichtig, dass wir die Vielfalt in der Schullandschaft auch mit Hilfe der Schulen in privater Trägerschaft erhalten“, sagte Martina Braun und betonte abermals den hervorragenden Ruf der Zinzendorfschulen weit über Königsfeld hinaus. Gerade dieses Schulwerk mit seinem „individuellen Weg zum Ziel“ und dem hohen Grad an Durchlässigkeit ermögliche es allen Schülerinnen und Schülern, ihren Weg zu finden. „Das Wort ‚scheitern‘ sollte es im Zusammenhang mit Menschen gar nicht geben“, meint sie. „Es ist viel besser zu sagen „für Dich gibt es einen anderen Weg.“