Literatur- und Theaterkursus der Zinzendorfschulen inszeniert „Nichts“
04.07.2014
„Nichts bedeutet irgendetwas, das weiß ich seit langem. Deshalb lohnt es sich nicht, irgendetwas zu tun. Das habe ich gerade herausgefunden.“ Mit diesen Worten verlässt Pierre Anthon die Schule und seine Klassenkameraden, um fortan in einem Pflaumenbaum zu sitzen und seine Mitschüler mit unreifen Pflaumen und provozierenden Sprüchen über den Sinn und Unsinn des Lebens zu bombardieren. Ein Zustand, den diese immer unerträglicher finden, weshalb sie beschließen, ihn vom Gegenteil zu überzeugen.Der Gymnasiast Maximilian Holm hat den umstrittenen Roman der dänischen Autorin Janne Teller für die Bühne bearbeitet, der Literatur- und Theaterkursus der Zinzendorfgymnasien hat das Schauspiel unter der Regie von Götz Knieß an jeweils zwei Abenden im Theater im Deutschen Haus in St. Georgen und im Königsfelder Haus des Gastes präsentiert. Es ist schwere Kost, die die Dänische Schriftstellerin ihren Lesern zumutet, das Buch durfte auch einige Jahre lang nicht an dänischen Schulen gelesen werden.
Die Jugendlichen wollen sich nämlich nicht von der nihilistischen Haltung Pierre Anthons die Bedeutung ihres Lebens nehmen lassen. Sie fangen an, in einem stillgelegten Sägewerk Sachen zusammenzutragen, die ihnen etwas bedeuten. Bald merken sie jedoch, dass defekte Beatles-Kassetten und pinkfarbene Kämme mit abgebrochenen Zähnen nicht wirklich wichtig sind. Es müssen andere Dinge her, deren Verlust wirklich schmerzt. Jeder, der etwas geopfert hat, darf von den anderen ein Opfer fordern und so entsteht eine Spirale der Gewalt, deren Eigendynamik erst durch den Tod gestoppt wird.
In der Inszenierung wechseln sich zehn Schauspieler in der Darstellung des Pierre Anthon ab, um zu zeigen, dass seine Figur austauschbar ist. Im Programmheft sind sie nur als „Schüler 1-10“ aufgeführt. Immer wieder treten die Jugendlichen an den Bühnenrand und sprechen im Chor, „das soll dem Gesagten noch mehr Gewicht geben“, erklärte Maximilian Holm.
Das raffinierte Bühnenbild, bei dem ein Haufen Europaletten zugleich den Pflaumenbaum und den Berg der Bedeutung bildet, unterstreicht die Geschichte ebenso wie die kurzen Einblendungen von Videoaufnahmen und der geschickte Einsatz von Licht, der bei der Friedhofs-Szene eine bedrückende Atmosphäre schafft.
Die Jugendlichen opfern den Leichnam des verstorbenen Bruders, den sie ausgraben, ihre Unschuld, einen Finger, einen Gebetsteppich und den ans Rosenholzkreuz hängenden Jesus. Als dieser Berg der Bedeutung entdeckt wird, sind die einen entsetzt über diesen „Müll“, die anderen fasziniert von dieser „Kunst“.
Ein New Yorker Museum bietet ihnen gar drei Millionen Dollar.
Doch Pierre Anthon, der Auslöser des Grauens, würdigt die bedeutungsvollen Dinge keines Blickes. Haben die Jugendlichen nun die Bedeutung gefunden oder haben sie sie verloren?
Pierre Anthon hat gewonnen, stellen sie resigniert fest, aber ihre angestaute Wut entlädt sich in dem Moment, in dem er ihnen den Rücken zudreht. Sie lynchen ihn, der Berg der Bedeutung geht in Flammen auf und am Ende sitzen alle unter dem Pflaumenbaum und blättern gelangweilt in Illustrieren, bevor Monty Python’s „Always Look on the Bright Side of Life“ erklingt.