Realschüler spielen Gemeinderatssitzung durch
28.01.2014
"Ich wähle doch meinen Urlaubsort nicht danach aus, ob mir das Gehwegpflaster gefällt", war eines der Argumente, mit denen sich die Neuntklässler der Zinzendorfrealschule ganz klar gegen den 2. Punkt der fiktiven Gemeinderatssitzung von Grafenhausen stellten. Bürgermeister Nicolas Neininger, den die Klasse zuvor aus ihrer Mitte gewählt hatte, gab sich größte Mühe, seinen Standpunkt zu behaupten und die Vorzüge eines Mosaikpflasters - unter anderem für den Tourismus - hervorzuheben. Letztlich stand er bei 21 Gegenstimmen mit seiner Meinung alleine da.Wie schon vor ihnen die Parallelklasse machte auch die 9Ra der Zinzendorfschulen bei dem Planspiel mit, durch das der Dipl. Sozialpädagoge (FH) Udo Wenzel auf Einladung der Gemeinde die Zinzendorfschüler leitete. Der Politworkshop wurde als LEADER-Projekt vor dem Hintergrund der Änderung des Wahlrechts in Baden-Württemberg umgesetzt, hier dürfen seit April vergangenen Jahres Jugendliche bereits im Alter von 16 Jahren zum ersten Mal bei Kommunalwahlen zur Urne gehen.
Fünf Punkte umfasste die Tagesordnung für die Sitzung, die sich mit den typischen Problemen einer Gemeine mit 6200 Einwohnern auseinandersetzt. Der Eintrittspreis fürs Schwimmbad soll erhöht werden, ein geeigneter Platz für Seniorenwohnanlage und Skaterfläche muss gefunden werden, Jugendliche sollen sich stärker an der Kommunalpolitik beteiligen und eine Verschönerung der eingangs erwähnten Gehwege steht zur Debatte.
Auch ansonsten war alles realistisch: Das Planspiel wurde im Sitzungssaal des Rathauses abgehalten, für die Räte gab es Brezeln, Saft und Wasser und selbst die geladene Presse wurde an ihre üblichen Stammplätze gebeten. Im Unterricht im Fächerverbund EWG (Erdkunde, Wirtschaftskunde, Gemeinschaftskunde) hatten sich die Schülerinnen und Schüler schon gut auf ihre Rollen als Gemeinderäte vorbereitet, so dass es zu Beginn der fiktiven Sitzung keine Fragen an Fritz Link, den realen Bürgermeister von Königsfeld, gab, der beide Workshops begleitete.
Trotzdem zeigten es vor Beginn der Sitzung einige Unsicherheiten. Die Frage von Udo Wenzl, ob die Interessen von Jugendlichen in der Politik berücksichtigt würden, wurde lediglich von drei jungen Menschen bejaht. "Sonst wären wir ja nicht hier" meinte eine Schülerin und ein Junge schlussfolgerte aus der Existenz der Skateboardanlage, dass die Gemeinde sehr wohl an die Jugend denke. "Die Skater-Rampe wurde ja eher nicht für die Rentner gebaut."
Auf die Frage, wer sich als politischen Menschen sieht und wer mit Politik nichts zu tun hat, bekannten sich die meisten als unpolitisch. "Ich verstehe es nicht", "ich habe mich damit noch nicht auseinandergesetzt", "ich kenne mich damit nicht aus", hieß es aus der Gruppe.
Nach der fiktiven Gemeinderatssitzung waren die politischen Prozesse den meisten zumindest auf kommunaler Ebene um einiges klarer. "Es hat viel Spaß gemacht zu sehen, wie es hinter den Kulissen aussieht und wie politische Entscheidungen zustande kommen", fand Nicolas Neininger. "Sonst bekommt man ja immer nur das Ergebnis mit."
Schon seine Wahl zum Bürgermeister was das Ergebnis eines politischen Prozesses. "Ich wollte mich eigentlich gar nicht zur Wahl stellen. Es gab mehrere Kandidaten, deren Wahlreden ich kommentiert hatte. Daraufhin meinten meine Mitschüler, ich sollte doch selbst kandidieren." Er will auf jeden Fall am Ball bleiben und kann sich durchaus vorstellen, sich politisch zu engagieren.