Skurrile Typen in und um Kevin
03.06.2016
Aufklärungsunterricht ist langweilig? Nicht, wenn der hannoversche Kulturpädagoge Andreas Kroll ihn in einem Jugend-Theaterstück einbaut. Ein Literatur- und Theaterkurs der Zinzendorfschulen hat die ziemlich komische Groteske „Liebe, Sex und andere Nichtigkeiten“ im gut besetzten Haus des Gastes inszeniert. Es wird anschaulich und unverkrampft gezeigt, was für ein Wettkampf zwischen den Spermien im Körper eines Mannes ausgetragen wird, wenn es wieder einmal heißt: „Koitus-Alarm!“Dann liefern sich Kevin und Heinzi ein Rennen, angefeuert von den anderen Spermien, die aussehen wie weiße Schlümpfe mit Zipfelmützen. Abgesehen von diesen – mit zunehmendem Alter des Körpers, in dem sie wohnen, immer seltener werdenden Ereignissen – ist den Spermien ziemlich langweilig.
In der Spermien-Universität stehen täglich sechs Stunden Sexualkunde-Unterricht auf dem Stundenplan, danach gibt es eine Stunde Sport: Wahlweise Sackhüpfen oder Schwimmen.
Schon nach der ersten Szene ist klar, dass es nicht unbedingt ein Stück für zartbesaitete Menschen ist: Oft sehr drastisch, aber nie vulgär und immer wieder rasend komisch. Etwa wenn – nachdem das depressive Spermium Kevin doch tatsächlich das Rennen gemacht hat und zum Mensch gereift ist – der junge Kevin (Louis Löffler) seine Mandy (Lorine Herzog) trifft. Mandy ist nämlich etwas speziell: Wenn sie telefoniert, dann tut sie nach eigenem Bekunden nur so als würde sie telefonieren – um Geld zu sparen. „Von dem Geld kauf ich mir ein neues Handy. Oder ‘n Mofa. Weiß ich noch nicht so genau.“ Sie schlägt Kevin auch vor, gemeinsam so zu tun als ob sie ins Kino gehen und danach so tun, als ob sie von dem gesparten Geld Pizza essen.
Mandys Auftritt finden sogar Kevins Spermien so bizarr, dass sie alles versuchen, um einen Koitus zu verhindern. „Sag mal, hast du eben die Schnitte gesehen, die ER angegraben hat?“ „Ja, krass. Stell dir vor, die wird deine Mama.“ „Furchtbar. Bei der Geburt tut sie wahrscheinlich nur so, als ob sie presst, und man muss alles alleine machen.“ Um das zu verhindern, denken sie an Knäckebrot, Steuererklärung und George W. und für den Moment scheint es sogar zu helfen.
Trotzdem stellt Mandy ihre Eroberung ihren Eltern vor. Natürlich tun auch die nur so, als gäbe es Kaffee und Kuchen. Die Szene ist Slapstick pur und - wie das gesamte Stück - von den jungen Darstellern auf den Punkt textsicher und spielfreudig interpretiert.
Kevin ist ein netter, romantischer Typ, wie sein Vater eher bedächtig, um so skurriler wirken die Typen, mit denen er immer wieder zu tun hat: Sei es eine Wanderniere, sein Freund Jürgen (Kerim Sahin), mit dem er sich als Jugendlicher das Flaschenbier und als Rentner die Parkbank teilt, Mandy, ihre Eltern oder die burschikose Hebamme (Tabea Jauch), die sein Baby zur Welt und ihn fast zur Verzweiflung bringt. „Ich möchte alle künftigen Mütter beruhigen: Hebammen sind nicht so wie auf der Bühne dargestellt“, sagte Bernhard Hering, der gemeinsam mit Götz Knieß Regie führte, in der Einleitung des Stückes.
Literatur und Theater ist am Zinzendorfgymnasium ein Fach, das benotet wird. Durch spielerische Aufgaben werden in diesem Kurs Bühnenpräsenz und die Tricks und Kniffe der richtigen Darstellung vermittelt. Dahinter steckt auch viel Theorie und harte Arbeit. Die Schüler trafen sich auch in ihrer Freizeit zu einem Probenwochenende und verlängerten die Kurszeit von zwei auf drei Schulstunden, um ihrer Darstellung den letzten Schliff zu verleihen. Die Mühe hat sich gelohnt: Das zwischendurch immer wieder vergnügt lachende Publikum dankte den Einsatz mit lang anhaltendem Beifall.
Eine weitere Aufführung ist am 21. Juni im Theater im Deutschen Haus in St. Georgen geplant, Beginn ist 20 Uhr.