Zeitzeugen berichten von ihrer Schulzeit während des Zweiten Weltkriegs
08.05.2017
Geschichte mal nicht aus Büchern und Filmen, sondern aus erster Hand durften die beiden Geschichtskurse der Klasse ZG1 des Zinzendorfgymnasiums erleben: Sechs Altschüler und eine Schülerin im Alter zwischen 87 und 90 Jahren erzählten anschaulich von ihrer Schulzeit in Königsfeld und ihren Erlebnissen während des Zweiten Weltkrieges. Sie waren damals genauso alt wie die Gymnasiasten, zu denen sie sprachen.Teilweise waren sie von ihren Familien nach Königsfeld geschickt worden, um aus der Reichweite der „150-Prozentigen“ zu sein. „Auch meine Großmutter hat finanziell dazu beigetragen, dass ich in den Schwarzwald kommen konnte“, erinnert sich Gottfried Reichel.
Um die christliche Trägerschaft der damaligen Knabenanstalt zu verschleiern, wurde ein Schulträgerverein gegründet, berichtet Hans-Jürgen Kunick, der später lange Jahre Schulleiter an den Zinzendorfschulen war. „Man suchte und fand Nischen, in denen man überwintern konnte.“
Nils Gormsen, Initiator des jährlichen Treffens der Zeitzeugen, zog Parallelen zur ehemaligen DDR und heutigen Diktaturen. Schon damals wurden Dinge schöngeredet, Wörter missbraucht und ihre Bedeutung ins Gegenteil verkehrt. „Schutz“ zum Beispiel war eines dieser Wörter. „Die Juden seien in ‚Schutzhaft‘ genommen wurden, wurde uns gesagt“, erinnerte sich ein anderer der Altschüler.
Der Lehrplan während der NS-Zeit war dem Regime angepasst. Sport galt als Hauptfach, mit dem schlechte Leistungen zum Beispiel in Latein ausgeglichen werden konnten. Über Politik wurde kaum gesprochen, in Geschichte ging es nur um Germanen, die Ägypter oder Römer beispielsweise kamen gar nicht vor. Das änderte sich nach dem Krieg. Zwar wurde auch da die Politik ausgeklammert, aber in Geschichte standen auf einmal Cäsar und Cleopatra auf dem Lehrplan.
Die Altschüler berichteten auch von ihrer Kriegsgefangenschaft, die ganz unterschiedlich erlebt haben. Während Nils Gormsen in Frankreich als Dolmetscher bei einem englischen Radiosender nicht viel auszustehen hatte, kam Günter Siegfried so geschwächt aus russischer Kriegsgefangenschaft zurück ins Internat nach Königsfeld, dass er es kaum die Treppe herauf schaffte. Das Essen, das in der Nachkriegszeit zur Verfügung stand, half nicht wirklich, wieder zu Kräften zu kommen. „Runkelrüben hat es gegeben“, erinnerten sie sich, „und zum Frühstück wurden Kartoffeln in kochendes Wasser gerieben.“
Die Zeitzeugen gaben den jungen Menschen mit auf den Weg, wachsam zu sein und sich nicht vereinnahmen zu lassen. In Deutschland herrsche seit mehr als 70 Jahren Frieden, weil sich das demokratische System bewährt habe. »Dafür gibt es einfach keine Alternative – auch wenn das immer wieder behauptet wird.“