Zuhören als Basis für Frieden
24.01.2012
Jazzmusiker Gilad Atzmon zu Gast an den ZinzendorfschulenEr machte schon mit Größen wie Ian Dury, Paul McCartney und Robbie Williams Musik und am Dienstag sogar mit Zinzendorfschülern - wenn auch nur für ein paar Minuten. Der Jazzmusiker Gilad Atzmon fesselte die Schülerinnen und Schüler der Eingangsklassen der beruflichen Zinzendorfgymnasien zwei Schulstunden lang mit kurzen Musikeinlagen und vor allem aber der Geschichte, wie er sie erlebte.
Der in Tel Aviv geborene Atzmon schilderte seine Kindheit und Jugend in Israel, die vom Soundtrack westlicher Rockbands wie Pink Floyd und Deep Purple geprägt war, und in der ihm beigebracht wurde, dass alles, was gut ist, jüdisch ist. „Im Physik-Unterricht fing man mit Einstein an und ging dann erst zurück zu Newton, die Musikgeschichte begann mit Mendelsson, bevor es zu Bach ging.“ Koscheren Zickzack nennt er das in seiner kurzweiligen Art zu erzählen, die dank der gelungenen Simultanübersetzung der Freiburger Ärztin und Palästina-Aktivistin Gabi Weber gut vermittelt wurde.
Mit 16 bekam sein Weltbild einen ersten Riss. Er hörte im Radio einen Song von dem ihm damals völlig unbekannten Charlie Parker und war fasziniert. Am nächsten Morgen kaufte er gleich zwei seiner Platten – und sah, dass der Saxophonist ein Schwarzer war. Für Atzmon war dies ein erstes Schlüsselerlebnis, denn „Parker war brillant obwohl er kein Jude war“.
Das zweite Schlüsselerlebnis hatte Gilad Atzmon in einem Gefangenenlager im Libanon. Während seines israelischen Wehrdienstes hatte er sich zur Militärkapelle versetzen lassen, mit der er eine Woche lang in dem Lager spielte. „Es war nicht viel anders als Guantanamo“, erinnerte er sich. „Palästinenser und Libanesen, die nie einen Prozess hatten, waren in einen Stacheldrahtzaun eingesperrt und verbrannten bei bis zu 48 Grad in der Sonne.“ Beton-Verliese, die er auf den ersten Blick für Hundezwinger hielt und beim Kommandanten als viel zu klein für diesen Zweck bemängelte, entpuppten sich als Einzelzellen für Menschen. „Von da an war ich kein Patriot mehr.“
Atzmon verließ Israel und ging nach London. Die Berichterstattung der britischen Medien über die Vorgänge in Nahost unterschied sich erheblich von der israelischen. „Ich fühlte mich wieder schuldig, wollte aber Verantwortung übernehmen“, so Atzmon, denn Schuld sei so lange bedeutungslos, bis sie sich in Verantwortung verwandele.
Die orientalische Musik, die nicht auf Notenblättern geschrieben ist, habe ihm geholfen, zuhören zu lernen. „Das ist die Basis des Friedens“, so Atzmon, „nur Zuhören bringt einem einen Schritt weiter.“
Seinen jungen Zuhörern gab er die Aufgabe mit auf den Weg, Fragen zu stellen, nicht alles zu glauben, was einem gesagt wird und vor allem anzufangen, ethisch zu denken.
Man müsse die Welt als eine Familie ansehen, in der jeder seine Eigenheiten behalten solle, solange dies nicht auf Kosten anderer geschehe.
Im Anschluss an Vortrag und Fragerunde improvisierte Atzmon noch für ein paar Minuten über die vier Töne der Schulglocke und zu einem Klangteppich, den er die Schüler mit dem Summen einer einfachen Melodie und rhythmischem Händeklatschen weben ließ.